Tsar Nicholas I. ~ Zar Nikolaj I.



1796 Petersburg - 1855 Zarskoje Selo



St. Petersburg - 1805

"... Zar Nikolaus I. wird uns immer als seelenloser, herzloser, rücksichtsloser Tyrann dargestellt, der von seiner eigenen Wichtigkeit geradezu besessen war und voller Vorurteile gesteckt haben soll - er gilt in der Tat als eine der ver- haßtestem Gestalten der russischen Geschichte..."




Bild: Wassilij-Kathedrale in Moskau.

 (ebenda)...  Dieses offizielle "Bild"  ist mit den Erinnerungen der alten Frau Issakow (Großmutter der Verfasserin und Gemahlin von General Nikolaj Issakow, Generalinspekteur aller Militärschu- len) völlig unvereinbar. Wenn wir es mit umstrittenen Gestalten der Geschichte zu tun haben, müssen wir uns vor Schwarzmalerei hüten. Die Wirklichkeit ist vielschichtiger, besonders wenn die menchliche Natur, auch die eines Zaren, betroffen ist. Aus diesem Grunde bin ich nicht bereit, das oben erwähnte "traditionelle" Urteil über den Zaren Nikolaus hinzunehmen..." (aus: 'Die Memoiren der Fürstin Lydia Wassiltschikow', 1886-1919,Molden-Verlag,  1980 München)





(ebenda) "... Ihr könnt euch nicht vorstellen, was für ein reizender Mann Nikolaus I. war!" pflegte die alte Dame zu sagen. "So gütig und rücksichtsvoll und liebenswürdig gegenüber allen, ohne Unterschied der Person, ob er mit einem gekrönten Haupt oder dem einfachsten Gärtner sprach. Er liebte alles, was jung und fröhlich war. Dir hätte die Atmosphäre an seinem Hof sicher sehr gefallen, denn obwohl das Zahrenpaar bereits im reiferen Alter stand, als ich es kennenlernte, bestand das Gefolge hauptsächlich aus jungen Leuten..."



"... Am späten Nachmittag ging es bei unseren Spielen oft hoch her, und manchmal saher wir die hünenhafte Silouette des Zaren hinter der Glastür. Er besaß eine 'grandeur d'àme', die alle, die ihn kannten, in seinen Bann zog. Er nahm sich die Nöte aller seiner Untertanen zu Herzen..."



(Foto:  Moskau,Stich von  Rouargue, 1851)

"(ebenda)... Obwohl er bei seinen Kindern sehr anspruchsvoll  und streng war und deren Erziehung persönlich beaufsichtigte, liebten sie ihn nichtsdestoweniger. Er wies sie ständig daraufhin, daß sie nur durch Pflichterfüllung ihre priviligierte Stellung rechtfertigen könnten. Gegenüber anderen Kindern, insbesondere Waisen, zeigte er väterliche Fürsorge. Er hörte gern jede Meinung an, solange sie ehrlich war, und schätzte am meisten diejenigen, die sich nicht scheuten, ihm die Wahrheit zu sagen. Er übte nie persönliche Rache, und wenn er glaubte, jemanden gekränkt zu haben, war die Liebenswürdigkeit, mit der er sich entschuldigte, oft verwirrender als die eigendliche Kränkung..."



Bild: Erste Eisenbahnfahrt des Zaren Nikolaus I. von Zarskoe Selo nach Pawlowsk, 1837.




Zeitgenössische Karrikatur zum Krimkrieg

"(ebenda)...  Sewastopel hat ihn umgebracht! Er war so verzweifelt, als sich der Feldzug immer weiter in die Länge zog und immer größere Verluste mit sich brachte. Als er sich eine Erkältung zuzog, versagte sein Herz. Die Nachricht von seinem Tod erreichte die vor dem Winterpalais versammelte Menge, und niemand wollte glauben, daß ein solcher Koloß so rasch einer Krankheit erliegen konnte;..."



Winterpalais in St. Petersburg

(ebenda) "... so riefen sie nach Dr. Mandt, dem Leibarzt des Zaren. Hätte Mandt sich gezeigt, wäre er auf der Stelle gelyncht worden. Auch diejenigen, die den Zaren nicht näher kannten, waren von seiner Erscheinung beeindruckt, denn er ähnelte einem Gott der Antike..."



Dekabristenaufstand

"(ebenda)... Wenn er sich in ernster Stimmung befand, konnte man von seinen hellblauen Augen, regelmäßigen Gesichtszügen und seinem schmalen Mund erzittern, aber wenn er lächelte - und er lächelte oft -, änderste sich sein ganzer Gesichtsausdruck, und man fühlte sich unwiderstehlich zu ihm hingezogen."



Smolenski-Friedhof in St. Petersburg, E. Smith 1845. Dort liegt die heilige Xenia von St. Petersburg begraben, deren Ikone in der Alexandra-Kirche in Bad Ems eingebaut ist. Die gute russische Sitte an den Gräbern der Verwandten Mitge- brachtes zu essen sowie etwas für Arme übrig zu lassen, kann man erkennen.

"(ebenda, jetzt Lydia Wassiltschikow selbst)... Als unser großer Dichter Pusch- kin bei einem Duell tödlich verletzt wurde, schrieb ihm der Zar einen Brief und ermahnte ihn, als Christ zu sterben - Puschkin galt allgemein als Freidenker -, und er sagte ihm, er werde sich persönlich um Frau und Kinder des Dichters kümmern. Während des langen Todeskampfes bat Puschkin immer wieder um diesen Brief und wiederholte mehrmals, er wolle ihm im Tode in der Hand halten. Als der Dichter Shukowski (Emser Kurgast, Hotel "Zum Hirsch", mg) vom Zaren noch einmal an das Sterbelager entsand wurde,nachdem Puschkin die Letzte Ölung empfangen hatte, bat ihn der Dichter, dem Zaren auszurich- ten, er wünsche ihm eine lange und ruhmreiche Regierungszeit und Glück mit seinem Sohn (Zar Alexander II. mg).



Zarenpalast Peterhof bei St. Petersburg, 1810, Zar Alexander I. bei Spaziergang

"(ebenda)... Ein Oberst Fürst Trubezkoi war für den Posten eines "Alleinherrschers" vorgesehen, wäre der Dekabristenaufstand zu Beginn des Regierungszeit von Nikolaus I. gelungen. Als die Erhebung fehlschlug, brachte man ihn in das Arbeitszimmer des Zaren im Winterpalast, wo er verhört wur- de. Trubezkoi hat diese Szene in seinen Erinnerungen geschildert. Nikolaus I. erscheint hier nicht im Licht eines "sadistischen, willkürlichen Tyrannen", son- dern als ein gebrochener Mann, der einen tiefen Schock zu überwinden sucht..."



 
Nikolaus I. Nachfolger Zar Alexander II., der vom Dichter Shukowski erzogen wurde (alle Kurgäste in Bad Ems). Unten: Nikolaustor am Moskauer Kreml. J. H. Kernot, 1835, nach einem Gemälde von A. G. Vickers



"Worüber er am meisten nachgrübelte, waren die Gründe, die bei den Ver- schwörern zu einem so unverstellbaren Verbrechen wie dem Bruch des Soldateneides geführt hatten. Zuerst war er wütend und empört, danach hin- und hergerissen zwischen dem Mitleid für Trubezkois Familie und der Verachtung für den Mann vor ihm, der nicht einmal den Mut hatte, das Schick- sal derer zu teilen, die er verführt hatte. Er wiederholte immer wieder:



Zar Nikolaus I.

"(ebenda) Wie konnten Sie nur so etwas tun? Haben Sie nicht an Ihre Frau gedacht? Sie ist so charmant! Warum? Dies wird sie umbringen!" (Trubezkois Frau folgte ihm später nach Sibirien.) "Setzen Sie sich hin, und schreiben Sie ihr, das es Ihnen gutgeht!" Am Schreibtisch des Zaren und mit der Feder des Zahren schrieb Trubezkoi: "Es geht mit gut." Nikolaus I., der ihm über die Schulter sah, verlangte: "Schreiben Sie noch: Der Zar sagt, daß es mir auch weiterhin gutgehen wird." (Unten: Petersburg, 1850) Zar Nikolaus I. war verheiratet mit Charlotte von Preußen (Alexandra Feodorowna), der Schwester Kaiser Wilhelms I. Weiteres siehe Seite Hl. Alexandra Kirche.