_______________________________

Bischof Kamphaus: Ohne Stabilität wird der Mensch krank. RLZ, 10. Jan. 2006

Plädoyer für

soziale Martkwirtschaft

Vor der Versuchung, einen provinziellen nationalen Egoismus zu verfallen, hat der Limburger Bischof Franz Kamphaus die Gewerkschaften gewarnt. Mehr denn je müßten sie sich international organisieren, um globale Handlungsmacht und Stärke zu erlangen, sagte der Bischof bei einem Empfang des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Solange der billigste auf dem Weltmarkt gewinne, egal wir sein Produkt zustande komme, bleibe Ausbeutung der Schlüssel zum Erfolg, der in diesem Zusammenhang globale Sozialstandards einforderte.

Die Sorge um Wohlstand und Arbeit im eigenen Land bezeichnete Kamphaus als legitim und fügte an: "Aber wir sollten uns davor hüten, diese Angst zum be-herrschenden Lebensgefühl und zum Leitprinzip unserer Politik werden zu las-sen." Der Bischof betonte, daß Arbeit Vorrang vor Sozialleistungen habe. Eine Gesellschaft oder eine Wirtschaft, die sich der Pflicht entziehe, möglichst viele Arbeitsplätze zu schaffen, gefährde die soziale Marktwirtschaft und die Demo-kratie. Dennoch dürfe des Ziel bezahlter Beschäftigung nicht überstrapaziert werden hin zum Zwang, "buchstäblich um jeden Preis zu arbeiten". Diese Gefahr zeige sich in der Diskussion über die Bedeutung des Niedriglohnsektors. Ein ethisch vertretbarer Mindestlohn müsse ein menschenwürdiges Leben ermögli-chen, stellte der Bischof fest. Insbesondere dürften die Betroffenen nich als die Schuldigen an ihrer eigenen Situation gelten.

Ausdrücklich sprach sich Kamphaus für den Vorschlag des Bundespräsidenten aus, die Arbeitnehmerschaft am Produktivvermögen zu beteiligen. Es gebe gegen diese alte Idee der katholischen Soziallehre gewichtige Bedenken, gerade auch der Gewerkschaften. Dennoch könnte Eigentum in Arbeitnehmerhand dem vagabundierenden Kapital Bodenhaftung geben und dem Eigentum wieder Legiti-mation durch Arbeit verschaffen." Auch wachse durch die Beteiligung der Ar-beitnehmer die Chance längerfristiger Bindungen zwischen den Unternehmen und ihren Beschäftigten. Der Mensch könne nicht grenzenlos flexibel sein, gab der Bischof zu bedenken , ohen eine gewisse Stabilität werde er krank. "Und was nützt uns eine gesunde Wirtschaft, wenn der Mensch krank ist?"

Die entscheidende Frage für die Zukunft laute nicht, wieviel Solidarität "wir uns noch leisten können" sondern welche Sicherungssysteme nötig sind, um zu ver-hindern, daß immer mehr Menschen auf der Strecke bleiben. "Gelingt es uns nicht, die Kosten der Solidarität anders und besser zu verteilen, dann können wir das Leitbild sozialer Marktwirtschaft getrost begraben", so der Bischof.