Der Kirchenvater bewahrt Hoffnung
 
~ Patriarch Bartholomäus,
das Ehrenoberhaupt der östlichen Christen, wartet am Bosporus vergeblich auf Anerkennung.
 (Rheinischer Merkur, 27, 3. Juli 08, Anja Kordik, Istanbul)





Patriarch Bartholomäus I. bei der Göttlichen Liturgie in der Hl. Georgskirche im Fener in Konstantinopel (Istanbul), 2008 (FAZ).



(Auszug) ... Eine lebendige Gemeinde. Aber die griechisch-orthodoxe Kirche Istanbul kämpft um Überleben. Nur etwa 3000 griechisch-orthodoxe Christen leben heute noch in der 15-Millionen-Metropole. 1923, im Gründungsjahr der türkischen Republik, war von den knapp eine Million Einwohner der Stadt am Bosporus mehr als eine Viertel griechisch-orthodox. Es gab aramä-isch sprechende Christen und Juden. Etwa der die Hälfte der Bevölkerung der ehehmaligen Hauptstadt des Osmanischen Reiches waren nicht-muslimische Gruppen. Istanbul war eine im wahrsten Sinne des Wortes "ökumenische" Stadt.

Mit der Gründung der Republik begann der Druck auf die nicht- türkischen Minderheiten. Die neue kemalistische Führungselite war laizistisch ausgerichtet und zudem nationalistisch, wandte sich also gegen alle "Fremden". So kam es nach 1955 - nach den schweren Ausschreitungen gegen griechisch-orthodoxe und armenische Christen infolge des Zypern-Konflikts - zu einem regelrechten Exodus der christlichen Bevölkerung, vor allem nach Griechenland.

Von den wenigen verbliebenen griechisch-orthodoxen Gläubigen Istanbuls sind heute rund 60 Prozent über 50 Jahre alt. Zwar gibt es kirchliche Schulen und Kulturveranstaltungen. Aber es fehlt der Nachwuchs für das kirchliche und soziale Leben. " Es ist ein fast übermenschlicher Kampft, um unsere uralte Kultur und Kirche in dieser Stadt vor dem Aussterben zu bewahren,'" sagt Vater Dosi- theos Anastopoulos. Gemeindepfarrer und Sprecher des Patriar- chen. Vor fünf Jahren erst wurde der heute 68-jährige Naturwis- senschaftler zum Priester geweiht, nachdem er zuvor zwei Jahre bei einem Pfarrer "in die Lehre" gegangen war.



Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Denn die Behörden haben das Priesterseminar auf der Insel Chalki, vor der Küste Istanbuls, 1971 geschlossen, weil nur noch staatlcihe Hochschulen anerkannt wurden und für die orthodoxe  Kirche die Bedingungen für einen Umzug an eine Fakultät unannehmbar waren. Zwar gibt es Ge- spräche über Chalki mit der islamisch-konservativen AKP-Regie- rung, die mehr Verständnis für die Anliegen  der christlichen Minderheiten zu entwickeln schien als ihre Vorgängerregierungen. Doch Ergebnisse sind nicht in Sicht. "Das Fehlen einer theolo- gischen Ausbildungsstätte ist unsere größte Sorge", erklärt Vater Dositheos.
 

Ein weiteres Problem für alle Christen in der Türkei: Die Kirchen haben keine Anerkennung als Rechtsperson. Sie existieren de facto, aber nicht juristisch. Das ist ein großes Hindernis, wenn es etwa um die Rückgabe geschlagnahmter kirchlicher Immobilien geht. Für die Behörden existiert kein Empfänger. Der aus Deuschland entsandte evangelische Pfarrer in Ankara kann nur mit einem Diplomatenpaß arbeiten. Keine türkische Gemeinde kann ihn anstellen.
Rund 300 Millionen orthodoxe Christen in aller Welt respektieren Bartholomäus als Nachfolger des Apostels Andreas und damit als ihr geistliches Oberhaupt. Er ist hochgebildet und vielsprachig, ökumenisch aufgeschlossen,engagiert für den interreligiösen Dialog. Der Patriarch hat es jedoch schwer, seine Position als ökumenisches Oberhaupt der Orthodoxie zu behaupten. Die tür- kischen Behörden akzeptieren ihn lediglich als Oberhaupt der wenigen im Land verbliebenen orthodoxen Christen. Nationalisten schüren den Verdacht, das Patriarchat solle zu einer Art Vati- kanstaat innerhalb der Türkei erweitert werden. Die rechtsge- richtete Organisation "Graue Wölfe" hat schon vor zwei Jahren die Vertreibung des Patriarchen angedroht und dazu rund 2,5 Millio- nen Unterschriften gesammelt. Es gibt deshalb Stimmen, die eine Verlegung des Ökumenischen Patriarchats nach Thessaloniki befürworten. Das wäre ein schwerer Schlag für aller Christen in der Türkei. (Bild u.: Patriarch Bartholomäus mit Papst Benedikt)




Aber es gibt auch Hoffnung: Ein wichtiger Schritt  zur Neubelebung der griechisch-orthodoxen Gemeinde Istanbuls war im Sommer 2006 der erste Kongreß griechisch-orthodoxer Christen. Dazu wurden griechische Familien, die die Stadt verlassen hatten, nach Istanbul eingeladen. Etwa 2000 Menschen kamen - aus Griechenland, Deutschland, Frankreich. Ein Ergebnis dieses Kongresses und der anschließenden Gespräche mit der Regierung: Erstmals seit 18 Jahren konnten wieder kirchliche Gemeindewahlen stattfinden. Und, so der Pfarrer, es sei festzustellen, daß zunehmend mehr junge Menschen in der Kirche engagieren. "Das ist für uns eine der ersten Früchte dieses Kongresses." Die Nachricht am 18. Juni, daß der Patriarch den Klaus-Hemmerle-Preis 2008 erhält, löste in der griechischen Gemeinde große Freude aus. Mit dem von der Fokolarbewegung gestifteten Preis werden alle zwei Jahre Persönlichkeiten geehrt, die im Sinne des verstorbenen Aachener Bischofs Klaus Hemmerle Brücken zwischen Kirchen, Religionen und Weltanschauungen bauen. "Bischof Hemmerle war mein Freund und Bruder", so die erste spontane Reaktion des Patriarchen.

Eine 80-köpfige Delegation aus Deutschland zeigt jetzt Präsenz und Unterstützung. Sie ist zur Preisverleihung angereist, darunter der Mainzer Bischof, Karl Kardinal Lehmann als Laudator, sowie die Bischöfe Heinrich Mussinghoff aus Aachen und Reinhard Lett- mann aus Münster, der griechisch-orthodoxe Metropolit Augousti- nos aus Bonn sowie dier vormalige Präsident des Lutherischen Weltbundes und Preisträger von 2006 der frühere braunschwei- gische Bischof Christian Krause...